Dieses Thema wollen wir an Hand der Schriften von vier Verfassern behandeln: |
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1. | Michael Landmann, Das Tier in der jüdischen Weisung, Siehe 1. | |||
2. | Leonhard Nelson, Ausgewählte Schriften, Werke in 9 Bänden, Siehe 2. | |||
3. | Tom Regan, The Case for Animal Rights, Tierrechte, Siehe 3. | |||
4.
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Carl Anders Skriver, Die Lebensweise Jesu und der ersten Christen, Siehe 4.
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a) „Pflichten entstehen nur durch die Beschränkung der
Willkür des Verpflichteten durch die Interessen anderer.“
b) „Das Recht einer Person ist nicht die bloße Befugnis anderer
Personen, sondern der Anspruch an andere Personen, ihre Willkür einzuschränken."
3. In dem
emeritierten Philosophen und Tierrechtler Prof. Tom
Regan (geb.1938) haben die Anliegen der Tierrechtsbewegung,
die für ihn ein Teil der Menschenrechtsbewegung darstellt, einen
engagierten Vertreter gefunden. Er lehrte Philosophie an der North
Carolina State University. Seine Position der Tierrechte ist:
Tiere, die auf vielerlei Weise ausgebeutet werden, haben ein Anrecht
auf ihr eigenes Leben, das die Erfüllung seiner Bedürfnisse
als Freude empfindet und die Mißachtung als Schmerz. So wie dem
Menschen ein eigenständiger Wert zukommt, so anerkennt das
Tierrecht in einem empathischen Akt, daß das Tier in seiner
Lebenserwartung diesen Wert ebenso fordert. Niemals nur darf der
Mensch einzig Mittel sein, sondern sein Leben ist dem Zweck, dem Ziel
oder Sinn zugeordnet. Analog will das Tier in seinen Zwecken leben
(„Respektprinzip“). Der Mensch vermag sich in den Erwartungshorizont
des Tieres einzufühlen und gesteht ihm Gerechtigkeit zu. Daher
fordert Tom Regan nicht größere, sondern leere Käfige.
Einer „absoluten Ungerechtigkeit muss man sich absolut
entgegenstellen“. Für das Tier ist daher angesagt, die ungerechte
Ausbeutung zu beenden.
Der Tierrechtsbewegung hat Regan „10 Gründe für
Tierrechte“ zur Hand gegeben. Sie lauten:
Die Philosophie der Tierrechte ist 1. rational, 2.
wissenschaftlich, 3. frei von Vorurteilen, 4. gerecht, 5. eine
Philosophie des Mitgefühls, 6. uneigennützig, 7. etwas, das
den Einzelnen erfüllt, 8. sozial fortschrittlich, 9. eine
Philosophie im Sinne der Umwelt, 10. friedliebend.
Des weiteren möge ein Zitat in
englischer Sprache das Charakteristische der Philosophie Prof. Regans
beleuchten: „Regans refutes the still current view that the animals we
eat, hunt, and experiment on are, in the words of the
seventeens-century philosopher Rene Descartes, ‘thoughtless brutes’.
They are, rather, sophisticated mental creatures who have beliefs and
desires, memories and expectations; who feel pleasure and pain,
experience emotions. Like us, animals are individuals who have a value
independent of their usefulness to others. And like us, these animals
have a basic moral right to be treated in ways that show respect for
their independent value.” Regan bezieht auch zum Vegetarismus eine
entschiedene Stellung und bringt sie in die Praxis ein: Er ist Veganer
und aktiver Tierrechtler. Tierschutz und Tierrechte kommen dem Tier an
sich zu. Der Sinn dieser Rechte, worauf auch schon Leonard Nelson
hingewiesen hat, ist nicht der Gedanke, dem Menschen den Anblick eines
gequälten Tieres zu ersparen, sondern weil sie „Subjekte eines
Lebens“ sind, haben sie ein genuines Recht auf ihr Leben. Es gilt
Einwendungen zu machen gegen „die schlimmste Sache, die in der Welt
passiert“, nämlich gegen das, „was den Tieren angetan wird“. Er
ist aber optimistisch, daß die Tierrechtsbewegung voran kommt,
„weil viele Hände an vielen verschiedenen Rudern anpacken“, sich
gegen das „Elend der Tiere“ wenden und sich mit „ihrem Schmerz, ihrem
Leiden“, die der Mensch ihnen zufügt, nicht einverstanden
erklären (Melanie Bujok: Tom Regan im Interview).
(nach
oben)
4. Der Theologe Dr. Carl
Anders Skriver (1903-1983) promovierte mit der Arbeit „Die Idee
der Schöpfung in der vedischen Literatur“. Schon früh
beeindruckten ihn die Reden Gautama Buddhas, so daß er seinen
Ernährungsstil änderte. Er arbeitete viele Jahre als ev.
Pfarrer, trat der Bekennenden Kirche bei, wurde inhaftiert und Monate
später wieder frei gelassen. Nach dem zweiten Weltkrieg widmete er
sich dem Vorstellungskreis des Nazoräertums und suchte in Bibel
und alten Schriften nach religiös bestimmten
Ernährungsrichtlinien. Sein Buch „Die Lebensweise Jesu und der
ersten Christen“ ist ein herausragendes Ergebnis der Arbeit an dieser
Aufgabenstellung. Die Epoche, in der Jesus lebte, war von
Unruhen geprägt, die aus der damaligen geistigen und politischen
Situation erwuchsen. Für das in jener Zeit entstandene
Christentum hatten die Gemeinschaften der Naziräer, der
Essäer, der Therapeuten und der Nazoräer eine prägende
Bedeutung. Sie alle verpflichteten sich einem Lebensstil, der von einer
gewissen Zurückhaltung, Enthaltung und Askese bestimmt war.
Nach C.A. Skriver sind Naziräer Menschen, die
ein Gelübde taten, z.B. abstinent zu leben, welche dann als
Geweihte galten, indessen sich aber nicht allein auf Pflanzenkost
beschränkten. Die Essäer (Essener) waren
strenge Vertreter des Judentums, die in eigenen Kolonien siedelten. Ihr
strenger Ordensgeist enthielt die Bestimmung des einfachen Lebens,
der Gütergemeinschaft, Enthaltsamkeit von Wein und Fleisch, der
gemeinsamen Mahle, Mildtätigkeit u.a. Sie hatten eine „gewisse
Ehrfurcht vor dem Leben, das Motiv ihres Vegetarismus“ und verneinten
das Tieropfer. Während die Essäer sich auf den bios praktikos
festlegten, neigten die Therapeuten bei ähnlicher asketischer Grundhaltung mehr zum bios theoretikos. Sie lebten
im Raum Alexandriens und gelten als Vorläufer des christlichen
Mönchtums. Den Nazoräern mißt
Skriver die größere Bedeutung bei, weil Jesus im Neuen
Testament mehrfach der Nazoräer genannt wird, und sie Skrivers
Ernährungsideal nahekommen. Um dem Vegetarismus eine
größere Überzeugungskraft zu verleihen, beruft sich
Skriver auf jüdisch-christliche Texte. Da diese gegenüber der
vegetabilen Kost widersprüchlich sind, ist er genötigt, die
betreffenden Stellen, die sich mit der Ernährung befassen,
genauer zu untersuchen, wodurch ein weiter Bogen durchschritten wird,
der hier nur begrenzt nachgezeichnet werden kann. Zunächst weist
er auf das Speisegebot in 1. Mose 1,29 hin, welches die vegetarische
Ernährung als verbindlich ansieht. Doch nach der Sintflut werden
der neuen Welt neue Eßgewohnheiten zugestanden: „Alles, was sich
regt und lebt, das sei eure Speise; wie das grüne Kraut habe
ich´s euch alles gegeben“ (1. Mo 9,3). Doch diese Bestimmung
sei sekundär, sei noachitisch; ihr komme keine Geltung zu. Das
Neue Testament führt ebenfalls gegensätzliche Positionen
auf. Ein Zeuge des neutestamentlichen Vegetarismus ist Jakobus der
Gerechte, ein Bruder Jesu, wodurch nach Skriver belegt ist, daß
auch Jesus sich des Fleischgenusses enthalten habe; beide seien
Nazoräer. Die erzählten Geschehnisse der Speisung mit Fischen
und des Passahmahles, welche dem nazoräischen Ideal widerstreiten,
kommen im ersten Fall kosmischen Vorstellungen nach, weil das
babylonische Symbol für das Tierkreiszeichen „Fische“ zwei Fische
darstellt und sind im zweiten Fall ein Abendmahl mit Brotbrechen im
Hause der essäisch-nazoräischen Gemeinschaft am Donnerstag
der Woche, während das Passahlamm am Freitag der Woche
getötet und verzehrt wurde. Weitere Argumente zugunsten des
Vegetarismus, mögen Skrivers Buch selbst entnommen werden. Carl Anders Skriver wählte oft
eine prägnante und scharfe Sprache, die nicht auf den hier
vorgelegten Text abgefärbt hat. Sein Argumentationszusammenhang
erscheint indessen schlüssig. Vielleicht können seine
Bücher auch einen Hinweis zur Umweltgestaltung geben, denn der
Vegetarismus ist umweltschonend. Er beachtet Tierrechte, den
Tierschutz, ist ein Hemmnis gegen Krankheiten und im Sinne
Albert Schweitzers ein Element der ethischen Eschatologie (Geschichte
der Leben-Jesu-Forschung). Skrivers Schlußbemerkung in seinem
Buch lautet: „Nazoräischer Glaube ist der Glaube, der aktiv die
Welt überwindet. Er ist keine Weltflucht und keine Kapitulation
vor der Welt. Er ist die größte Utopie, die von Menschen
erdacht wurde, die Synthese von Realismus und Idealismus, die letzte
Schlußfolgerung, die ethische Eschatologie aus aller Logik und
Gerechtigkeit“ (C.A. Skriver, Die Lebensweise Jesu und der ersten
Christen, p.140).
In der hier dargebotenen Erörterung wird zuweilen der Gedanke der
Utopie aufgegriffen, welcher auf der Seite Nachwort: einst und jetzt
dieser Website explizit zur Sprache kommt. Oft enthält ein
utopischer Entwurf Ideale. Friedrich Nietzsche, der sich Jahre seines
Lebens von karnivorischer Ernährung fernhielt, bemerkte: Wer
sein Ideal erreicht, kommt eben damit über dasselbe
hinaus.
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aktualisiert: 22.03.2011